Donnerstag, 25. Februar 2010

Die Zweite

Sonntag, 21.2.2010

16:00 Uhr
Alle Spielerinnen und Spieler kommen nach und nach im Theater an. Nach so einer intensiven Probenzeit ist ein Tag Pause fast merkwürdig und daher begrüßen sich alle so, als hätten wir uns schon lange nicht mehr gesehen. Es wird sich darüber ausgetauscht, was das Publikum zu der Premiere gesagt hat; mit wem man sich über unser Stück unterhalten hat. Die Reaktionen sind fast ausschließlich positiv.
Danach Umziehen und Schminken. Und wieder Brötchen schmieren.

17:20 Uhr
Das Aufwärmtraining startet mit einem "Massage-Kreis": "Das könnten wir jetzt doch auch stundenlang machen... Und das Publikum miteinbeziehen". Gelächter von allen. Danach geht es mit Tanzen und Körperarbeit weiter.

17:45 Uhr
Alle sitzen auf ihren Startpositionen hinter der Bühne und das Publikum betritt den Zuschauerraum.

18:02 Uhr
Die zweite Vorstellung läuft.

19:00 Uhr
Pause. Und weil alle Zuschauer Abendbrot-Hunger haben sind die Brötchenplatten in Windeseile leer...

20:00 Uhr
Publikumsgespräch. Es wird viel über das Thema "Arbeitslosigkeit" gesprochen und einige Menschen äußern sich betroffen über einige der Szenen:
- "Ich habe keine Arbeitslose in meinem Bekanntenkreis. Jetzt haben die Schlagzeilen in den Nachrichten für mich Leben bekommen. Ich habe jetzt einen Einblick gewinnen können, wie ein Mensch sich fühlt, wenn er Hartz IV bezieht!"
- "Ich bin selbst seit einem dreiviertel Jahr arbeitslos. Aber den ganzen Tag Fernsehen ist für mich keine Perspektive!"
- "Ich hätte mir mehr Statistisches gewünscht! Die Texte von Rifkin gingen da für mich in die richtige Richtung"
- "Eine gute Mischung zwischen ernsten Szenen und lustigen!"

Montag, 22. Februar 2010

Premierenfieber

Freitag, 19.2.2010

14:00 Uhr
Als ich nach Hause komme, sind die Kostüme leider immer noch feucht... Naja, nicht alle, aber die meisten. Ich fange an zu bügeln... Das geht so leidlich, ist aber ausgesprochen mühsam.

16:00 Uhr
Ankunft im Theater. In den Garderoben drehe ich die Heizungen auf, damit die Kostüme weiter trocknen können. Zum Waschsalon suchen und einen Trockner diese Arbeit erledigen lassen, ist keine Zeit mehr. Irgendwie absurd das alles.
Susanne Lenz von der Seniorentheaterplattform hilft beim Bügeln. Außerdem bekommt das Bügeleisen Verstärkung von einem Fön. Im Film fände man so was wieder total übertrieben...
Zum ersten Mal in meinem Berufsleben habe ich noch keine Toi Toi Toi-Karten geschrieben; dafür war einfach keine Zeit. Immerhin haben wir an alle gedacht; das ist doch schon mal was.
Brötchen hat Elena besorgt, Barbara leuchtet noch nach...

19:00 Uhr
Die Kostüme sind jetzt leidlich trocken, dafür haben wir jetzt ein Strumpfhosen-Problem ("Laufmasche") und zum Glück gibts Geschäfte auf der anderen Straßenseite. Also schnell neue besorgen und Ersatzstrumpfhosen gleich mit.
In dem ganzen Wirbel fange ich an, mich auf die heutige Premiere zu freuen!

19:30 Uhr
Warm-Up

19:45 Uhr
Einlass

20:03 Uhr
Beginn der Vorstellung "Suche Arbeit - biete Leben"

Ab 22 Uhr feiern wir mit allen Spielerinnen und Spielern, mit Dr. Christian Esch vom NRW Kultursekretariat, mit Michael Gees und Andrea Kramer, mit dem Team vom Consol Theater, mit unseren Freunden, Bekannten und Verwandten die gelungene Premiere!

Countdown: Generalprobe

Donnerstag, 18.2.2010

13:00 Uhr
Die letzten Korrekturen für das Programmheft werden von Georg Kentrup und mir eingearbeitet. Die Fotos der Spielerinnen und Spieler sind schön geworden und ergänzen die Texte auf gelungene Weise. Wir beide sind erleichtert. Ist doch auf den letzten Metern (wie eigentlich immer) ein bißchen knapp geworden. Um 14:00 Uhr muss das Ganze in der Druckerei sein...

16:00 Uhr
Barbara Wachendorff gibt mit zwei von unseren Experten ein Interview für Sat 1. Danach werden sie die Generalprobe mitfilmen. Also können die Kostüme erst morgen gewaschen werden.

17:00 Uhr
Brötchen abholen für die "Mettbrötchen-Szene" und Kräuterquark kaufen.

18:00 Uhr
Nach einem kurzen Warm-Up beginnt die Generalprobe und wir kommen durchs Stück. Zum Glück! Dazwischen: Interviews, Schminken für die Kamera, Brötchen schneiden und schmieren, Requisiten kontrollieren, Fragen beantworten, Soufflieren.

22:00 Uhr
Barbara und ich verlassen das Theater. Schweren Schrittes. Ab nach Hause zu Rotwein und Bett!

1:00 Uhr
Die Waschmaschine schleudert die letzte Runde. Puuh! Die armen Nachbarn. Aber wenn ich die Kostüme heute nicht wasche, werden sie bis morgen nicht trocken.

Sonntag, 21. Februar 2010

Material fürs Projekt, das nicht mehr eingebaut werden konnte

Ein Job (Musik: „One Love“ von David Guetta, Text: Fred und Micha)


Kann uns jemand helfen, haben keinen Plan
Gibst den kleinen Finger, nehmen sie dir den Arm
Haben kein Lust mehr, jeder schubst uns rum.
Damit ist jetzt Schluss, wir bleiben nicht mehr stumm.
Das ist der Grund, warum wir hier stehn.
Haben maloocht, doch das will keiner mehr sehn.
Man nennt uns Schmarotzer, schimpft uns arbeitsscheu.

Koch stempelt uns ab, macht Arbeitspflicht neu
Das haben wir so nicht verdient.
Jahrzehnte gearbeitet und jetzt verhöhnt
Jetzt sagt uns, wo sind denn die Jobs,
die echten, die ehrlichen, nicht billige Flops.

Ein Job, den suchen wir für uns. Ein Job ist das, was uns jetzt fehlt
Ein Job, bei dem das Geld auch stimmt. Ein Job, der Spaß macht und uns braucht.
Ein Job, der uns ernähren kann. Ein Job, in dem sich Arbeit lohnt.
Ein Job, der unsrem Leben Sinn gibt. Ein Job, wer weiß nur, wo es den gibt.
Ein Job---------

Wir suchen Arbeit. Wir suchen Arbeit. Wir suchen Arbeit. Wir suchen Arbeit

Gib niemals auf, nimm dein Leben in die Hand.
Reiß die Mauer ein der bürokratischen Wand.
Die Hoffnung stirbt zuletzt, tritt für dich selber ein.
Kämpf für dein Recht, dann wirst du Sieger sein.

Ein Job

Countdown: In drei Tagen ist Première

Mittwoch, 17.2.2010

10:00 Uhr
Mein Handy klingelt. Eine Redakteurin von Sat 1 von der Sendung "17:30" interessiert sich fürs Projekt und möchte am Donnerstag gerne die Generalprobe mitdrehen lassen. Außerdem interessiert sie sich für ein Gespräch mit zwei von unseren Spielern außerhalb des Theaters. Ob das ginge? Klar, da freuen wir uns doch! Drei Telefonate später ist alles vereinbart.

12:30 Uhr
Ich tausche die nicht passenden Kostüme in der Innenstadt um. Treffe dabei einen unserer Arbeitsexperten, der auf mich traurig wirkt. Lampenfieber? Der Druck ist jetzt gegen Ende der Produktionszeit für alle enorm hoch.

14:00 Uhr
Zurück im Theater kommt mir Barbara mit einer großen Tüte entgegen. Die sei für sie abgegeben worden. In der Tüte: ein Kostüm und ein Brief. Im Brief steht, neben Dank an uns, dass der Absender nicht mehr im Projekt mitmachen kann.
Wir machen uns große Sorgen. Und funktionieren gleichzeitig wie ein Uhrwerk: Barbara fährt zur Wohnung des Arbeitsexperten, ich werde die angesetzten Proben leiten und gucken, ob und wie wir eine Lösung für den fehlenden Spieler finden können.

15:00 Uhr
Probe. Es ist schön zu sehen, wie sich Szenen noch auf den letzten Metern in die Zielgerade entwickeln und "freispielen".
Beim Durchsehen des Stücks haben wir gemerkt, dass wir nur eine Szene streichen müssen. Da der zweite Teil des Stücks eher zu lang ist, können wir künstlerisch gut damit leben. Die Sorge um unseren Experten ist aber weiterhin da.

17:00 Uhr
Alle Spieler sind da. Kaffee ist gekocht und Wilma, die heute Geburtstag hat, hat Kuchen und Brötchen für alle mitgebracht. Der Journalist Stefan Keim ist heute da, um für "Scala" einen Beitrag zu machen. Von ihrer Kaffeetafel weg, wird Wilma zum Interview fürs Radio gebeten.
Wir erzählen dem Ensemble von dem "Ausstieg" des Experten und alle sind betroffen und traurig.

18:00 Uhr
Für das Programmheft müssen noch Porträtfotos gemacht werden. Alle Spieler setzen sich einzeln vor die Tapeten und werden von Martin Möller fotografiert. Danach dann der Durchlauf durchs Stück mit den veränderten Szenen und der veränderten Besetzung.

21:20 Uhr
Die Probe ist eigentlich schon seit 20 Minuten zu Ende, aber die letzte Szene ist noch nicht gespielt worden. Barbara Wachendorff bricht die Probe ab. Alle sind müde. Das war ein anstrengender Tag in jeglicher Hinsicht.

Mittwoch, 17. Februar 2010

Alles wächst

Seit letzten Samstag proben wir nun unser gesamtes Stück im Ablauf. Die einzelnen Szenen fügen sich zu einem Ganzen. Das ist spannend zu sehen.
Seit Dienstag ist die Beleuchtung und der Film dazugekommen und mit jeder Probe entsteht ein klareres Bild von unserem Abend. Auch wenn die Aufregung allen deutlich anzumerken ist.
Von welcher Seite trete ich auf? Wann trete ich auf? Was ist mein Stichwort? Welche Szene kommt jetzt?
Hinter der Bühne ist die Stimmung aufgeregt, aber gleichzeitig hoch konzentriert.
Wenn ich die Seite wechsle und mich in den Zuschauerraum setze, dann ist davon fast nichts zu spüren. Das fasziniert mich immer wieder.

Mittwoch, 10. Februar 2010

Eine kleine Presseschau zum aktuellen Urteil zur HARTZ IV - Gesetzgebung:


TAZ

Sueddeutsche Zeitung
Die Welt
Frankfurter Allgemeine Zeitung
WAZ
Die Zeit

Dienstag, 9. Februar 2010

Sonntagszuschlag

Es ist Sonntag. Noch 13 Tage bis zu unser Premiere. Alle Szenen sind geschrieben. Aber die Reihenfolge der Szenen? Wie soll die Reihenfolge sein? Ich bastele bunte Blätter (Anzahl der Spieler in den Szenen) und schreibe die Titel darauf. Alles auf den Fußboden legen. Gleich kommt Barbara Wachendorff zu mir und wir wollen die Abfolge festlegen.
Barbara hat weiße Zettel gebastelt. Also bunt und weiß auf blauem Teppich. Leicht ist das nicht. Einfach anfangen. Die ersten Szenen liegen in einer richtigen Reihenfolge. Allmächlich formt sich aus dem Zettelhaufen eine Reihe. Immer wieder gehen wir die Reihe durch, verschieben Szenen nach hinten; das hat dann auch immer wieder Konsequenzen für andere Szenen. Also weiter schieben. Nach zwei Stunden Bedenken und Verschieben, Diskutieren, im Kopf-als-Film-Ablaufen lassen, haben wir ein erstes Ergebnis. In der nächsten Woche werden wir das auf der Probe überprüfen können und sehen, ob wir etwas verändern müssen. Für heute sind wir zufrieden.

Elena, unsere Hospitantin, hat mir einen Zettel gegeben. Bei den Proben hat sie Sätze aufgeschrieben, die Deutsch und Englisch munter miteinander mischen. Für uns ist es inszwischen fast normal, ständig die Sprache zu wechseln.
Wenn man den ganzen Tag im Theater ist, schafft das Sprachenwechseln ein Gefühl von "Arbeit in New York".

Kostproben unseres Denglish:

Du go over the black Bühnenboden.
You play is very nice on the Bühne.
There is nobody doof.
People come und schwenken, you know, they schwenk.
You know: like bestellt und nicht abgeholt.
Wir brauchen everybody of you.
This will be our Endprobenwoche.
Right from the Straßenstrich.
She has it gekauft.

Donnerstag, 4. Februar 2010

Aus dem Probentagebuch (2)

Noch 3 Wochen bis zur Premiere. Die Proben werden länger und anstrengender. Auch Barbara merkt man eine gewisse Anspannung an. Der Text sitzt noch nicht. Die Positionen sind noch nicht klar, eine gewisse Unruhe breitet sich aus. Der Spaß kommt trotzdem nicht zu kurz.
"Das sage ich heute, mal sehen, ob ich das einen Tag vor der Premiere auch noch sage."
Bei dem Gedanken bekomme ich Hitzewallungen.


Jetzt gehts bei mir looooos! Irgendwie merke ich mir meine Texte nicht. Alpträume sind im Moment das Einzige, das mein Hirn behalten kann. Na super; kommt gerade zur rechten Zeit! Hatte auch lange keine mehr. Fängt so das Fieber in der Lampe an? Wo ist der Schalter, den ich fürs Auswendiglernen brauche? Da ich schon älter bin, spielt mein Langzeitgedächtnis wohl eine große Rolle. Den Spaß, die Freude, einfach alles, was ich hier lerne (auch positiv über mich). Das behalte ich auf jeden Fall! Das Beste, was ich erleben durfte - im Team -! DANKE
Doris

Ich spiele schon seit drei Jahren laienhaft Theater. In den drei Jahren war sogar ein Brocken wie "Les Misérables" dabei, wo ich die Hauptrolle spielen durfte. Jedoch ist dieses Projekt mit nichts zu vergleichen. Es ist wunderschön zu sehen, wie wildfremde Menschen zusammen finden und dieses Projekt immer konkreter wird und endlich ein Gesicht bekommt. Hier im altehrwürdigen Consol Theater, jetzt gerade in diesem Moment, entsteht etwas Wundervolles.

Dienstag, 2. Februar 2010

Morgens: Wir proben an unserer Kochshow und überlegen, welche Requisiten wir dafür verwenden könnten. Das wird eine wilde Szene und macht uns allen Spaß beim Proben. Der Zynismus, den die Vorschläge von Politikern über die "vernünftige und gesunde Ernährungsweise" von Hartz 4 Empfängern in meinen Augen haben, wird in dieser Szene noch verschärft. Durch unsere langen und intensiven Vorgespräche mit den Spielern haben wir da sehr verschiedene Einblicke gewinnen können. Menschen sind verschieden. Auch die Menschen in unserem Projekt. Manche ernähren sich trotz Geldmangel gesund, andere sparen Strom, indem alles vorgefertigte Essen in der Mikrowelle erwärmt wird.
Ich denke an altes, nicht verwendetes Material und suche es für den Blog heraus.

"Wenn es Gurken im Angebot für 29 Cent gibt, dann kann ich nicht widerstehen. Esse ich gerne, Gurken. Jetzt sind die ja so eingeschweißt. Das finde ich klasse. Die halten dann nämlich richtig lange im Kühlschrank. Ich mache dann immer nur ein bisschen die Folie ab, nur so weit, wie ich die Gurke abschneide. Die letzte hat drei Wochen gehalten und war noch richtig gut und frisch. Paprika esse ich auch gerne. Die drei abgepackten. Werden im Winter aber wieder teurer."

"Ich teile mir den Monat immer in 3 Dekaden ein. Damit komme ich am besten klar. Vorher hat das nicht so gut geklappt. Aber man denkt sich da rein. Wurst und Käse kaufe ich auf dem Flohmarkt; die Sachen sind dann noch eine Woche haltbar und die friere ich dann ein. Das permanente Rechnen kann ich - das habe ich gelernt. An Pfingsten hat mal was mit den Zahlungen nicht geklappt. Da war nix mehr da. Also bin ich aufs Amt und habe der Sachbearbeiterin sagen müssen, dass ich kein Geld zum Essen mehr habe. Sie hat mir eine Karte gegeben und ich konnte mir 50 € für Essen aus dem Automaten ziehen. Ich habe mich geschämt. Später wollte meine Sachbearbeiterin wissen, wie der Raum aussieht, wo der Automat steht. Sie war selbst noch nie drin gewesen."


"Mein Bad hat kein Fenster. Zum Stromsparen (außer beim Duschen) darf nur meine Taschenlampe anwesend sein. Von den Deckenbeleuchtungen drehte ich diverse Birnen raus. Obwohl mir oft die Augen tränen, wegen des Zwielichtes. Oder die Augen sind total erschüttert, was sie zu sehen bekommen."