Freitag, 29. Januar 2010

Fundstück zum Thema

Eine Woche Pause im Projekt. Barbara Wachendorff schreibt und feilt an den Texten für die Szenen, damit in der nächsten Woche an verbindlichen Fassungen gearbeitet werden kann. Mails gehen hin und her zwischen uns.
Dazwischen: Kostüme kaufen für die Spielerinnen und Spieler. Den Schlußverkauf nutzen.
Jeden Tag erscheinen Nachrichten zum Arbeitsmarkt, zu Hartz 4.
In einem Roman lese ich ein Gedichtzitat, das den positiven, Gott dienenden Aspekt von Arbeit betont.

Werkleute sind wir

Werkleute sind wir: Knappen, Jünger, Meister,
und bauen dich, du hohes Mittelschiff.
Und manchmal kommt ein ernster Hergereister,
geht wie ein Glanz durch unsre hundert Geister
und zeigt uns zitternd einen neuen Griff.

Wir steigen in die wiegenden Gerüste,
in unsern Händen hängt der Hammer schwer,
bis eine Stunde uns die Stirnen küsste,
die strahlend und als ob sie Alles wüsste
von dir kommt, wie der Wind vom Meer.

Dann ist ein Hallen von dem vielen Hämmern
und durch die Berge geht es Stoß um Stoß.
Erst wenn es dunkelt lassen wir dich los:
Und deine kommenden Konturen dämmern.

Gott, du bist groß.

Rainer Maria Rilke, 26.9.1899, Berlin-Schmargendorf

Montag, 25. Januar 2010

Aus dem Probentagebuch (1)

Samstag, 23.1.2010

Heute hat Ali zugegeben, dass er der beste Kollege von die coole Alfred ist. Sollen wir das glauben? Wenn ja, kann das Theaterstück einfach nur ein Erfolg werden.
Alfred


Wir sind ein völlig gemischter Haufen. Das ist genial. Ich genieße es, wie gut wir uns verstehen und wie gut wir zusammenarbeiten.Mittlerweile sind wir ein eingespieltes Team. Heute wurde es ganz deutlich, als wir die Idee für eine Choreographie sofort richtig gut umgesetzt haben. Irgendwie erleichtert mich das.
Vera

Wilma hat wieder eine Suppe für uns alle gemacht. Mit Sauerkraut und Hackfleisch. So können wir in der Mittagspause alle gemeinsam essen. Das gehört irgendwie auch dazu. Eigentlich wollten Barbara Wachendorff und ich das Mittagessen machen, aber schaffen es nicht neben all dem Zuerledigenden. Und sind sehr dankbar für den Partyservice von Wilma und Siegbert.
Ulrike

Samstag, 23. Januar 2010

17 Köpfe sind kreativer als ein Kopf allein: Märchenanfänge von "Arbeit"

Es ist Samstag und wir proben heute in der großen Gruppe. Gearbeitet wird an Gruppenszenen, die im Kontrast zu den Einzelszenen stehen werden. Immer wieder, so unsere Vorstellung, werden einzelne Spielerinnen und Spieler sich aus der Gruppe lösen und ihre Geschichte erzählen. Oder als Einzelne der gesamten Gruppe gegenüberstehen. Ein Textmaterial, was bei einer solchen Gruppenszene entstanden ist, sind improvisierte Märchenanfänge zum Thema "Arbeit". Die SpielerInnen saßen in in einer Reihe und hatten die Aufgabe, sich gegenseitig zu unterbrechen und dann einen neuen Märchenanfang zu improvisieren.
Hier die nicht im Projekt verwendeten "Märchen":

Es war einmal eine sehr alte Frau, die wohnte in einem Haus in einem großen Wald. Sie hatte kein Holz mehr und wollte welches im Wald holen. Sie fand keine Pilze, aber Holz. Sie sammelte alles, was sie finden konnte, einen riesigen Berg Reisig, so riesig, dass sie den kaum auf ihrem Buckel tragen konnte. Das hatte ein Förster beobachtet, ein junger starker Förster, der hilft ihr das Holz hoch zu wuchten so dass die Mutter ganz krumm und gebeugt vor ihm stand: – lieber Förster kannst du mich...

Es war einmal ein Stuhl, der fühlte sich besessen. Ging zum Exorzisten, der auch Psychologe war. Der fragte: was willst du, ich behandele sehr selten Stühle. „Ich fühle mich sehr krank“ sagte da der Stuhl. "Deine Stuhlkrankheit ist Besessenheit", sagte der Exorzist. „Wie fühlst du dich?“ „Bei Kindern gut, bei Matronen mit 160 kg schlecht, dann fühle ich mich sehr besessen!“ „Sollen wir das austreiben? „Ja, das ist eine gute Idee“. Der Exorzist holte eine Säge. Er sägte in einer langen Operation ½ Cm eines der Stuhlbeine an. Er sagte: „ Wenn jetzt schwere Leute kommen, und sich auf dich setzen wollen, bricht der ganze Stuhl zusammen und du bist nicht mehr besessen. Der Stuhl ging fröhlich im Stuhlgang nach Hause.

Es war einmal ein Rentier, das immer sprechen lernen wollte. Eines Tages beobachtete es einen kleinen Jungen, der einen Fluss überqueren wollte. Der kleine Junge balancierte bis zu den Knien auf den rutschigen Steinen im Flussbett. Dann rutschte er aus und fand keinen Halt, die Strömung riss ihn fort und er wäre sicher ertrunken, hätte das Rentier ihn nicht gerettet. Als das Rentier sich verabschiedete, sagte der kleine Junge: Zum Dank für deine Tat sollst du einmal im Jahr sprechen können und zwar an Heiligabend. Das Rentier freute sich sehr auf Heiligabend und in dem Stall, in dem es sein Winterquartier hatte konnten an diesem Heiligabend alle Tiere sprechen, die Kühe, die Schweine, aber auch die Fliegen und die Ratten in der Ecke unter dem Stroh. Das war eine lustige Gesellschaft! Die Tiere erzählten sich Geschichten und lachten und feierten. Der Tag verging natürlich viel zu schnell. Das Rentier hätte gerne mehr Tage gehabt. Er wurde älter-

Es war einmal ein Malermeister und ein Lehrling, die arbeiteten bei einem Schuhmachermeister. Lehrling erzählte ihm was von „Glyzeringelantine“ und der Schuhmacher hat das geglaubt. Der Lehrling lachte sich kaputt.

Es war einmal eine Flasche Wodka, 93%, die stand auf einem Schreibtisch. Die sollte aber eigentlich in der Schublade liegen. Aber der junge Mann, konnte arbeiten wie verrückt, weil er Wodka trank. Immer Schublade auf, ein Schlückchen und Schublade wieder zu, das war ihm zu blöd, deswegen stand die Pulle einfach auf dem Tisch. Jetzt konnten es alle Kollegen sehen. Dann musste er sich beim Chef melden. Der beschimpfte ihn direkt mit du blöde Sau! Da sagte Hans Franz, "aber Chef, bevor Sie hier schimpfen, probieren Sie mal selber, das geht super locker, ich trinke und arbeite, das ist prima". Der Chef überlegte, soll ich, soll ich nicht? Dann holte Hans Franz Zahnputzbecher und goss dem Chef ein und auch den anderen Kollegen, die hinzugekommen waren. Sie probierten und arbeiteten, dann probierten sie wieder und arbeiteten und es ging irgendwie besser, alle lachten und duzten sich, alles wurde plötzlich leichter, die Kolleginnen sagten, ich heiße übrigens Else, ich heiße Susi Rückwärts, irgendwie war das Gefühl in der Arbeit zurück gekehrt.

Es war einmal ein junger Mann aus München, der arbeitete auf dem Viktualienmarkt. Kam dann nach Gelsenkirchen. Komme mit der Ausdrucksweise nicht klar.

Semmeln sind hier Brötchen

Bündel ist ein Strauss (ist für mich ein Tier aus dem Zoo)

Labskaas ist hier Leberkäse

Zum Vermittler.

Pfund ist ½ Kilo. Er hat dann eine Anstellung im „Schmankerlstübchen“ bekommen.

Es war einmal ein kleiner Junge auf einer Farm. Er träumte davon, Schauspieler zu werden. Sein Name in Leuchtschrift. Er wurde eines Tages entdeckt.

Es war einmal eine Frau, die wollte Karriere machen.

Es war einmal eine alte Frau, die war auf Hilfe angewiesen, die konnte nicht mehr allein leben. Sie bestellte ein Umzugsunternehmen. Dann ging’s los. Sie lebte seit weit über 50 Jahren in dieser-

Es war einmal eine junge Frau, die hatte Verkäuferin gelernt. Aber nun wurde der Laden geschlossen und sie durfte im Büro anfangen. Sollte einen Text über Gardinenreinigung schreiben auf einer Kugelkopfschreibmaschine. Immer wieder Fehler kamen rein-

Es war einmal ein Mann, der hatte 40 Jahre Berufsleben hinter sich. 40 Jahre pünktlich um 6 Uhr aufstehen war sein Lebensinhalt. Dann wurde das Werk in Walsum geschlossen. Sein Lebensinhalt weg. Fing an, Orgeln zu bauen.

Es war einmal nach dem Krieg. In einer Malerwerkstatt. Da gab es Wasserflecken im Kindergarten. Aber kein Material. Ein uraltes Mittel ist Kuhscheiße. Die Kuhscheiße auf der Wiese war eingetrocknet. Also zum Bauernhof. Den Eimer unter den Kuhschwanz-

Es war einmal ein 12-jähriger Junge aus Rumänien, der in Köln lebte. Wenn dieser Junge von seiner Arbeit am Hauptbahnhof zurückkam, musste alles abgegeben werden. Wenn er zu wenig hatte, wurde er geschlagen. Er überlegte, wie er das ändern könnte. Seine Arbeit war es am Hbf Menschen zu beklauen. Aber er wollte nicht klauen und hatte deswegen immer zu wenig in der Tasche, weniger als die anderen Kinder.

Es war einmal ein Zahnarzt, sehr nett anzusehen. Er war muskulös und hatte ein gewinnendes Lächeln. Das war Fassade. Er war pervers! Er behandelte vorwiegend Frauen. Die alten Frauen so ab 50 hat er betäubt und hat den Frauen alle Zähne, ein Zahn nach dem raus gezogen. Bei jungen Mädchen hat er eine besondere Methode, wenn sie auf dem Stuhl saßen, hat er die Handgelenke angebunden, festgebunden und dann betäubt und hat dann jedem Mädchen einen Mikrochip unter die Haut gepflanzt und er konnte so die Mädchen beobachten. Und er hat sie beobachtet, unter der Dusche, bei der Selbstbefriedigung, mit ihrem Freund...
Es war einmal eine Politikerin. Das Land das sie regierte, steckte in einer großen Krise. Sie versuchte diese Krise einem Impfstoff zu bekämpfen. Die Impfung war umsonst. Nach der Impfung würden alle, die geimpft waren, wie verrückt arbeiten wollen. Das war in dem Impfstoff drin.

Es war einmal eine linke Partei, die suchte professionelle Eierwerfer. Das Arbeitsamt vermittelte 200 Menschen, die jetzt professionelle Eierwerfer werden wollten. Da waren zwar Fischwerfer dabei, aber das Werfen von Eiern ist eine ganz besondere Tätigkeit. Das musste also geübt werden, alle 200 Menschen übten gezieltes und aggressives Eierwerfen und von den Massen von Eiern, die da zerschmissen wurden, konnte man den Armen der Stadt ein ziemlich großes und leckeres Rührei machen. Also gab es eine Volksspeisung mit Rührei.

Es war einmal ein berühmter Trapezkünstler im Zirkus. Ohne Arbeit. Der Zirkus, bei dem er sich bewarb, suchte aber einen Dompteur.

Donnerstag, 21. Januar 2010

Die Expertenmeinung zum Projekt

Für mich eine ganz neue "Herausforderung". Spannung von Anfang an, zu sehen wie das Stück entsteht.
Ein Spieler

Ich bin ein alter Theaterhase, spiele seit 15 Jahren in der freien Theatergruppe ZUGABE und habe mich aus Neugier und Spaß an der Freud für dieses Projekt interessiert. Es ist eine große Herausforderung und macht mir viel Freude. Wir sind auch eine gute Truppe, die auch im mitmenschlichen Bereich prima zusammenpasst. Barbara überrascht uns immer wieder mit ihrer Phantasie. Ich bin gespannt auf das Ergebnis und bin zuversichtlich, dass es ein Erfolg wird.
Gisela

Dienstag, 19. Januar 2010

Ein Arbeitstag im Projekt (18.1.2020)

6:30

Mein Wecker piepst.

Ich hau ihn.

Er piepst wieder.

Ich hau noch mal.

Aufstehen. Kaffeemaschine an. Unter die Dusche. Radio an. Liste machen für heute.

Ich kann noch nicht denken. Nach dem zweiten Kaffee geht’s.

8:00

Schnell noch eine Email an das Stadtarchiv schicken, um einen Termin für das Heraussuchen von Fotomaterial zu vereinbaren.

Im Postfach: 3 Emails von Barbara Wachendorff mit neuen Szenen-Texten. Gründlich lesen! Kaffee zu Ende trinken und dann los.

Zum Glück ist die Autobahn frei. Alle anderen arbeiten wohl schon. Nur wir sind heute später dran als sonst.

11:00

Probe mit Barbara J., Schauspielerin und Sängerin. Eigentlich wollen wir mit ihr und einer anderen Spielerin eine geschriebene Szene arbeiten, aber A. ist krank. Schwere Bronchitis. Wie bringen wir das Thema "kreativer Beruf" in das Projekt ein? Ohne das es selbstreferentiell wird? Wir holen uns Inspiration durch einen Dokumentarfilm über eine 86-jährige Tänzerin. Sie hat es geschafft, Leben und Kunst miteinander zu verbinden; Kinder und Beruf, künstlerisches Tun und gesellschaftspolitisches Argument. Sind sehr beeindruckt. Und gucken -entgegen unserer Planung- den Film in voller Länge.

Ja, wenn wir einen ähnlichen Zugang finden, dann läßt sich das Thema gut in unser Projekt integrieren.

13:20

Für den nächsten Termin sind wir bereits 5 Minuten zu spät. In der benachbarten Gesamtschule bekommen wir von einem entspannten Lehrer Kaffee. Dann lernen wir Schüler und Schülerinnen des Musikkurs kennen, die im Projekt eine Band spielen sollen. Wir erzählen von dem Inhalt und den beteiligten Menschen. Danach spielen uns die Schüler ihre Musik vor und singen. Das hat eine enorme Energie!!! Im Brustkorb vibrieren die Knochen, Füße zucken unwillkürlich. Beim anschließenden Gespräch stellt sich dann heraus, dass das größte Problem die Organisation von Probenterminen sein wird. Wir verabreden uns für Mittwoch, um noch mal detaillierter über die Proben zu sprechen. Die Jugendlichen wollen "Nothing else matters" von Metallica vorbereiten.

16:20-16:40
Mittagessen

16:40

Der Spieler A kommt zur Probe. Ich habe ein schlechtes Gewissen, weil wir noch nicht richtig fertig mit dem Mittagessen sind und auch noch nicht alles vorbereitet ist. Er ist aber ganz entspannt. Proben wollen wir seine Szene, in der er von seiner Arbeit im Schlachthof erzählt.

Es ist eine der ersten Szenenideen und sie hat schon sehr konkrete Formen angenommen. Aber der Text enthält nach wie vor fachliche Fehler und daher muss er erneut bearbeitet werden. Macht nix - aber das ist jetzt endgültig die letzte Fassung!!!

18:00

Ein Spieler hat abgesagt und Barbara Wachendorff und ich nutzen die Zeit, um Organisatorisches und Inhaltliches zu besprechen.

19:00

Wir improvisieren eine Szene, in der eine türkische Mutter und ihr Sohn darüber streiten, ob die Familie wieder in die Türkei zurückgehen soll oder nicht. Auf Deutsch und Türkisch vertreten sie ihre gegensätzlichen Positionen. Die beiden Spieler mögen diese Szene und das merkt man deutlich. In drei Durchgängen der Szene bekommen wir genügend Material. Heute Nacht oder morgen kann Barbara sie schreiben.

20:00

Letzte Probeneinheit für heute ist eine Albtraum-Szene: Von verschiedenen Mitarbeitern der Arbeitsagentur wird eine Spielerin bedrängt, befragt, aufgefordert, wieder bedrängt, befragt und aufgefordert. Niemand scheint wirklich auf sie einzugehen. Sie wird über die Bühne getrieben und fühlt sich hilf- und machtlos. Immer wieder und wieder.

Vor ein paar Tagen lief eine Dokumentation im Fernsehen über Menschen, die Hartz 4 beziehen. Was mir im Kopf blieb: Der Analphabet, der immer wieder Bescheide über Bescheide bekommt. Die er nicht lesen kann. Und die Bescheide sind mit Sanktionen verbunden. Sein Weg führt über die Zwangsräumung ins Obdachlosenheim. Der dortige Leiter sagt, dass das überhaupt nicht rechtens ist. Die Arge muss die Miete bezahlen. Passiert aber nicht.

21:00

Noch schnell was einkaufen. Ab in den Supermarkt, der bis 22:00 Uhr geöffnet hat.

Die A 40 ist wieder einmal in Essen gesperrt. BAP singt vom Leben und von der Arbeit und von Autojagden in Köln.

Was für ein Arbeitstag.

Ich verordne mir, keine Emails mehr zu lesen und ein Glas Wein zu trinken.

23:00

Ich stelle den Wecker auf 6:00. Brrrrrrr!

Sonntag, 17. Januar 2010

Improvisationsmaterial I:

Zu Beginn unserer Recherche zum Thema "Arbeit in Gelsenkirchen " fielen uns die vielen leerstehenden Wohnungen in Bismarck auf. Daraus entstand die Idee, dass das Projekt auch in einer großen leerstehenden Wohnung stattfinden könnte. In jedem der Zimmer dieser Wohnung sollte ein anderer Spieler, eine andere Spielerin ihre Erfahrung mit "Arbeit" erzählen.

In einem Zimmer packt eine Frau Umzugskartons und bittet das Publikum mit folgenden Sätzen um Unterstützung:

"Als der Brief kam, war ich wie vorn Kopf geschlagen. Hartz 4 ist ja schon schlimm genug, aber das jetzt. Ausziehen, umziehen, eine Wohnung finden, die „angemessen“ ist. Was heißt das bitte? Angemessen? Ich wohne hier seit sechs Jahren. Ist auch kein Luxus hier. Gucken Sie mal! Aber hier sind 25 qm zu viel. Für einen.

Könnten Sie mir mal den Karton aufhalten? Danke.

Der Haken ist: Ich will hier nicht weg. „Ab ins Ghetto“ hat der Mensch von der Hausverwaltung zu mir gesagt. Der wollte mir noch nicht mal einen Bescheid für die Arge ausstellen. Das ginge ihn nichts an – er sei ja nicht bei der Arge beschäftigt, warum sollte er mir also eine Bescheinigung ausstellen, dass ich mich um eine kleinere Wohnung bemühe.

Einfach zum Kotzen!"

Im November 2009 entschieden wir uns dann, das Projekt doch auf der Bühne im Consol Theater stattfinden zu lassen. Durch den Hinterkopf spuken noch die Sätze vom "verordneten Umzug".

Ein Auszug aus dem Text von George Orwell: Was ist Arbeit? (1937)

"Was ist Arbeit und was ist keine Arbeit? Ist es Arbeit, zu graben, zu zimmern, Bäume zu pflanzen, Bäume zu fällen, zu reiten, zu fischen, zu jagen, Hühner zu füttern, Klavier zu spielen, zu fotografieren, ein Haus zu bauen, zu kochen zu nähen, Hüte zu schmücken, Motorräder zu flicken? Alle diese Dinge gelten als Arbeit für den einen, und alle gelten als Spiel für den anderen. Tatsächlich gibt es sehr wenig Tätigkeiten, die nicht entweder als Arbeit oder als Spiel klassiert werden können, je nachdem, wie man sie betrachtet. Der vom Graben befreite Arbeiter möchte vielleicht seine Freizeit, oder einen Teil davon, mit Klavierspielen verbringen, während der Berufspianist unter Umständen nur allzu froh ist, an die frische Luft zu kommen und im Kartoffelbeet zu graben."

Donnerstag, 14. Januar 2010

Was ist Arbeit?

Schweine schlachten,
Brötchen im Akkord schmieren,
im Supermarkt kassieren,
Möbel restaurieren,
die Fahrtkostenabrechnung machen,
eine Vase töpfern,
am Computer arbeiten,
Kleidung an der Stange ordnen,
Kabel verbinden , aufrollen und/oder stecken,
eine Wand anstreichen.

Die Liste ließe sich beliebig fortzusetzen...


Ist Arbeit abwechslungsreich?
Oder ist Arbeit immer monoton?

Improvisation zur automatisierten Arbeit: Die Supermarktkassiererin

Als ich die Kassiererin spielte, freute ich mich als beim "Piepen" [der Scannerkasse] die "Zuschauer" viel zu lachen hatten.
UND: Keine Dramen mit den Damen!
Bin happy, dass ich dabei sein darf, da ich ansonsten zurückgezogen lebe.

Doris

Geschichte aus erster Hand

In unserer Probe gestern erzählten uns Wilma und Siegbert von Gelsenkirchen während des 2. Weltkriegs und in der Zeit des Wiederaufbaus. Sie sind die ältesten Spieler in unserem Projekt und können uns Auskunft über ein halbes Jahrhundert Stadtentwicklung geben.
Mich fasziniert die Geschichte, wie Siegberts Familie nach Gelsenkirchen kam: Von Masuren wollte der Großvater eigentlich über Hamburg nach Amerika auswandern. Die Großmutter sah das Meer und bekam es mit der Angst und wollte nicht mehr nach Amerika. So zog die Familie ins Ruhrgebiet. Weil es dort Arbeit gab. Der Großvater wurde Hauer in der Zeche "Bergmannsglück".
Sie erzählen uns von den Hausschlachtungen, vom langsamen Ende der Zechen, von den 5 Wirtschaftssäulen der Stadt Kohle, Stahl, Chemie, Glas und Textil.

"Wir saßen praktisch auf der Kohle, aber hatten keine. Also haben wir von den offenen Waggons die Kohle runtergeholt. Die Waggons sind dann nach England gefahren."